Freitag, 12. Oktober 2007

Bücher, die Oger in Schule gelesen hat, und was Oger davon für das Rollenspiel hält

Andernorts wurde versucht zu ergründen, woran es liegen könnte, das der Deutsche Rollenspieler sich im Allgemeinen zu dunklen und kaputten Hintergrundwelten hingezogen fühlt. Hier mal ein anderer Erklärungsversuch.

Der Oger erinnert sich daran, welche Werke der Literatur er in der Schule zu lesen hatte. Dies waren unter anderem (Achtung Spoiler!):

Die Buddenbrooks von Thomas Mann: Über 400 Seiten lang den moralischen und weltlichen Verfall einer Lübecker Kaufmannsfamilie betrachten zu müssen, und dann auch noch das Buch ein halbes Jahr lang durchzukauen, war für den Oger eine traumatische Erfahrung. Wirklich. Auch wenn dieses Buch zu den 10 meistgelesenen Klassikern der deutschen Literatur gehört. Und wenn der Oger drüber nachdenkt, dann kommt er zum Schluss, daß es wohl Millionen von Schülern in Deutschland so gegangen sein muss.

Iphigenie auf Tauris von Goethe: Fast genauso schlimm wie die Buddenbrooks. Nur andersherum. Wenigstens ist der Schluss nicht so dermaßen unbefriedigend.

Die Schwarze Spinne von Jeremias Gotthelf: Ein Geheimtipp für eine Abenteueridee. Ein Verführer (setze hier Teufel/Dämon/Böser Externar/Toxischer Schamane ein) macht einen Pakt mit ein paar Verzweifelten (setze hier Leibeigene Bauern /Konzernangestellte ein), und hilft ihnen bei einer Aufgabe. Die Verzweifelten beschließen jedoch, den Pakt nicht einzuhalten, woraufhin der Verführer einer wilden Frau einen Kuss gibt. An dieser Stelle wird es dann unappetitlich: An der Stelle, wo der Kuss aufgedrückt wurde, bildet sich eine ständig wachsende Eiterbeule, die irgendwann aufplatzt und die Schwarze Spinne (Man nehme einen Toxischen Geist, eine Infernalische Spinne oder einen insektoiden Externaren) über das Tal loslässt. Diese tötet fast alle, wird jedoch später in ein Loch gebannt.
Später im Buch, einige Generationen später, öffnet ein Dummbatz das Loch, und die Spinne ist noch quicklebendig und kann von vorne anfangen. Insert the Adventurers.

The Third Man von Graham Greene: Ein Kriminalroman im Wien der Nachkriegszeit. Der Oger stellt sich vor, das man daraus ein schönes Abenteuer um korrupte Pharmakonzerne oder Verbrecherbanden, die verdorbene Medikamente verkaufen, machen kann. Die Idee, das der Hauptschurke mit dem Detektiv zumindest bekannt ist, am Anfang des Buches vorgeblich stirbt und beerdigt wird, ist auch nett.

Die Judenbuche von Annete von Droste-Hülshoff: Auch wieder so ein "Klassiker der Deutschen Literatur." Brrrh.

Der Name der Rose von Umberto Eco: Erst wollte der Oger dieses Buch übergehen, aber da fiel ihm etwas ein, etwas, was Eco Jorge von Burgos am Ende des Buches zu William von Baskerville sagen lässt:
"Das Lachen ist die Schwäche, die Hinfälligkeit und Verderbtheit unseres Fleisches. Es ist die Kurzweil des Bauern, die Ausschweifung des Betrunkenen, auch die Kirche in ihrer Weisheit hat den Moment des Festes gestattet, den Karneval und die Jahrmarktsbelustigung, jene zeitlich begrenzte Verunreinigungzur Abfuhr der schlechten Säfte und zur Ablenkung von anderen Begierden, anderem Trachten... Aber so bleibt das Lachen etwas Niedriges, etwas gemeines, ein Schutz für das einfache Volk, ein entweihtes Mysterium für die Plebs. (...) Aber hier, hier... wird die Funktion des Lachens zur umgestülpt und zur Kunst erhoben, hier werden ihr die Tore zur Welt der Gebildeten aufgetan, hier wird das Lachen zum Thema der Philosophie gemacht, zum Gegenstand einer perfiden Theologie (...) Doch dieses Buch könnte lehren, das die Befreiung von der Angst vor dem Teufel eine Wissenschaft ist!"

Der Oger fragt sich, ob dies nicht heute auch noch symptomatisch für alle Klugen Gelehrten in Deutschland ist.Und das deswegen Millionen von Schülern die Buddenbrooks lesen müssen. Damit wir alle kleine Jorges von Burgos werden.
Und da manche dieser Schüler auch Rollenspieler sind, stellt der Oger die Vermutung auf, ob uns so nicht eine Lust am Verfall implantiert worden ist, die im Rollenspiel nur erkennbar wird.

5 Kommentare:

Patrick hat gesagt…

http://tinyurl.com/32pogb

Onion Radio:
Eighth-Grade Reading List Heavily Favors Stuff That Sucks Big TIme

Passt irgendwie.

Anonym hat gesagt…

"Die Judenbuche" mussten wir auch lesen und waren total überfordert (7. Klasse), weil wir es einfach gewohnt waren, dass ein Buch die Handlung immer offen ausdrückt. Haben total abgekotzt.
Hab es später nochmal gelesen: klar wie Kloßbrühe, tolles Buch!

Bessere Erfahrungen hab ich in Frankreich gemacht:
André Malraux: La condition humaine. Revolutionäre Straßenschlachten in China mit Handgranaten, Mauser und Selbstmordattentat, fast alle Hauptfiguren verrecken auf krasse Art und Weise.
Später hab ich es nochmal gelesen und war fasziniert von dem philosophischen Hintergund, für den ich mit 17/18 noch unempfänglich gewesen war.

Alfred de Musset: Lorenzaccio. Dekadente Florentiner vom feinsten. Da hat übrigens die Fantasy-Göttin Tanith Lee geplündert und in "Herrin des Deliriums" verwertet.

Anonym hat gesagt…

Aber mal zum eigentlichen Thema: Müsste Settembrini als bekennender Bewunderer von Thomas Mann und Theodor Fontane demzufolge nicht ein Emo-Mutant sein? ;-)

Anonym hat gesagt…

Oger hat grade Nachrichtensendung gehört. Schaut euch mal diesen Link an:
http://www.theonion.com/content/news/report_school_shootings_help

Gruß, Oger

Anonym hat gesagt…

Thomas Mann kann man garnicht in der Schule lesen.
Unter 20 versteht man die Ironie garnicht.

Buddenbrooks ist ein brüllend komisches Buch!