Dienstag, 7. Dezember 2021

Raumhafen an der Grenze: Ja, wo sind denn alle?

Wenn man sich hinsetzt und sein eigenes Sci-Fi-Universum stricken will, dann gibt es die Frage, wie man mit der Existenz und Abwesenheit von außerirdischem Leben handhaben will. Man kann es natürlich handwedeln, und sich einfach dafür oder dagegen entscheiden. Eine andere Option: Sich derer bedienen, die sich bereits einmal ihren Kopf in dieser Sache zerbrochen haben.

Willkommen im Fermi - Paradoxon. 

Enrico Fermi stellte Mitte des letzten Jahrhunderts die Frage, wenn es intelligentes Leben in unserer Galaxie gibt .. warum haben wir dann noch nichts von ihnen gehört? In der bestehenden Zeit hätten wir schon viele Male Kontakt zu ihnen haben können, denn bei Raumschiffen, die auch nur 1% der Lichtgeschwindigkeit schaffen, hätte man die gesamte Galaxie während ihrer Existenz schon mehrfach kolonisieren können.

Verschiedene Leute kamen zu verschiedenen Ergebnissen. Wähle oder würfle einen W20:

1

Berserker. Es gab sie, und es existierte mindestens eine außerirdische Zivilisation, die systematisch die Galaxie durchkämmte, um Konkurrenz um wertvolle Welten und Sonnensysteme auszulöschen. Sie machen dies vielleicht persönlich oder haben eine Spezies intelligenter, sich selbst replizierender Roboter erschaffen. Vielleicht schlafen diese jetzt, oder sie sind einfach nur noch nicht hier. Für eine Kampagne bedeutet dies, das sie von jetzt auf gleich von einer optimistischeren Zukunft in eine dunklere, verzweifelte umkippen kann, bei der es um das Überleben der Menschheit geht. Vielleicht haben hier und dort (siehe "Dunkler Wald") einige Spezies überlebt, die man als Verbündete gewinnen kann - oder die einen verraten, um selbst zu überleben. Vielleicht ist das Ereignis auch schon sehr lange her, und in der Zwischenzeit haben sich neue Spezies entwickeln können. 

2

Blasenbildung. Sie sind oder waren da. Durch die unterschiedliche Verteilung für die Kolonialisierung geeigneter Planeten, die Art der Reisemethode des interstellaren Reisens, dem Untergang von Kolonien und astrophysikalischen Grenzen und Ereignissen entstehen vielleicht nur Blasen einer interstellaren Zivilisation mit einigen dutzend Lichtjahren durchmesser, und keine galaxieumspannenden Imperien. In einem solchen Setting bilden Alienreichen klare, abgegrenzte Gebiete und sind vielleicht aus einem Ring aus Niemandsland-Welten ohne Wert und mit aufgegebenen Kolonien umgeben - von denen eine die ursprüngliche Heimatwelt sein könnte.

3

Dunkler Wald. Es gibt außerirdische Zivilisationen, aber die Aliens verbergen sich, weil sie Entdeckung fürchten. Diese Furcht ist entweder begründet (weil es andere Spezies gibt, die sofort die Auslöschung der Spezies betreiben würden, würden sie entdeckt) oder Ausdruck einer kulturell bedingten Xenophobie. Für eine Kampagne im Dunklen Wald gilt: Es gibt keine freundlichen flauschigen Aliens. Jeder Erste Kontakt ist Spieltheorie hoch zehn. Alle verstecken sich, oder greifen gnadenlos unterlegene Spezies an. Alle sind misstrauisch.

4

Einsteins Grenzen. Es gibt sie. Nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft ist es nicht möglich, sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen. Eventuell werden so interstellare Kommunikation und Kolonisation unmöglich, und machen aus wirtschaftlichen oder anderen Erwägungen keinen Sinn für andere Spezies. Oder sie sind zu dem Schluss gekommen, dass es zwar belastbare Theorien gibt, wie dies erreicht werden kann, aber die Implementierung dieser Technologien massive Risiken für eine Zivilisation oder das Universum in sich birgt - oder haben dies auf die harte Tour gelernt.

5

Introversion. Es gibt sie, aber die anderen Alienzivilisationen verlassen ihre Sonnensysteme nicht. Entweder behindern sie kulturelle, politische und religiöse Gründe (wie eine wissenschaftsfeindliche Theokratie) oder sie flüchten sich in virtuelle Welten, umsorgt von einer Heerschar von Robotern. Zu Grunde liegt eine Gesetzmäßigkeit innerhalb intelligenten Lebens selbst, die (vielleicht) für Menschen nicht zutrifft.

6

Schrottplatz. Eine Zivilisation in den Anfängen der Raumfahrt (so wie unsere) umgibt sich vielleicht unweigerlich mit einer gigantischen Halde aus Weltraumschrott, deren Durchquerung zunehmend gefährlich und unmöglich wird. Die Heimatplaneten werden von einer Schale aus mit mit mehreren tausend Kilometern pro Stunde dahinrasenden Schrauben, verlorenen Werkzeugen, alten Satelliten, Trümmerteilen verlorener Raumfahrzeuge eingesperrt.

7

Selbstzerstörung. Es gab oder gibt außerirdische Zivilisationen, aber es scheint eine Gesetzmäßigkeit zu sein, dass die Auslöschung dieser durch technologische Entwicklungen wie Massenvernichtungswaffen und Umweltzerstörung erfolgt. Vielleicht bilden die Erforschung von Dingen wie Kernfusion, Antimaterie, Nanotechnologie, Schwarzer Materie und Künstlichen Intelligenzen tödliche Risiken, die wir jetzt noch nicht absehen können. Diese Prämisse passt vielleicht auch gut zu einer dystopischen Near-Future- oder Cyberpunk-Kampagne.

8

Seltene Erden. Keine außerirdischen Zivilisationen und vielleicht auch kein außerirdisches Leben an sich. Welten mit einer Kombination aus richtigem Alter und Klasse des Sterns, richtigem Abstand zur Sonne, genügend Wasser, stabilisierendem Mond, Strahlung und einem jupiterartigen Planeten, der Asteroiden einfängt, sind vielleicht einfach zu selten. In einer Kampagne mit solch seltenen Erden werden die meisten Kolonien entweder in lebensfeindlichen Höllen, auf luftleeren Planeten oder in künstlichen Habitaten errichtet werden. Vielleicht wird extensiv Terraforming betrieben, aber der Prozess ist sehr langwierig. Findet man eine tatsächlich erdähnliche Welt, ist dies vielleicht ein Sechser im Lotto, um den sich viele Mächte prügeln werden - oder das Werk einer anderen Spezies. Vielleicht gibt es auch extensiv Anpassungen von Menschen an verschiedene Arten von Umweltbedingungen.

9

Seltene Technologie. Es mag sie geben, aber durch die Abwesenheit von Rohstoffen wie Eisen und spaltbaren Elementen sowie der Anwesenheit von bestimmten kulturellen Gegebenheiten – wie autoritärer Herrschaftsform und einer tiefen religiösen Anschauung – haben sich keine Zivilisationen entwickelt, die nach den Sternen greifen. Diese Kulturen haben maximal die technologische Entwicklungsstufe von mittelalterlichen Feudalgesellschaften, die leicht von den Menschen unterworfen und von ihren Welten mit an sich guten Lebensbedingungen verdrängt werden könnten.

10

Seltenes Leben. Keine außerirdischen Zivilisationen. Das Entstehen von Leben an sich ist vielleicht einzigartig. Selbst wenn es solches gibt, ist der Weg vom einzelligen Organismus zu einer komplexen, zu zivilisatorischen Leistungen fähigen Lebensform sehr weit. Gute Welten für die Kolonisierung sind vielleicht häufiger anzutreffen, aber ansonsten gilt vielleicht auch das, was schon bei "Seltenen Erden" gesagt wurde.

11

Sie beobachten uns. Es gibt sie. Sie studieren uns mit wissenschaftlicher Neugier, oder halten uns für riskant und gefährlich. Sie halten Abstand, und/oder haben für Menschen bisher unsichtbare Überwachungsmethoden. Vielleicht isolieren sie uns von anderen Spezies, oder warten, bis wir eine entsprechende technologische Entwicklungsstufe erreicht haben, und uns dann entweder zu zerstören oder der Gemeinschaft zivilisierter Wesen zu empfangen. Wenn wir tatsächlich die Sterne erreichen, sind ihre Absichten vielleicht genuin, oder sie benutzen uns als einen Bauern auf einem 4D-Schachbrett.

12

Sie sind aufgestiegen. Es hat sie gegeben, aber sie sind in eine höhere, multidimensionale Daseinsform aufgestiegen. Man findet nur noch ihre Ruinen und einige Hinweise, oder Wesen, die den Sprung nicht geschafft oder sich vom Aufstieg und den Technologien, die dahin führten, abgewendet haben. Diese Wesen könnten von einigen Menschen als Götter verehrt werden, und/oder sie könnten einen chtuluiden Charakter haben.

13

Sie waren schon da. Es gibt oder gab sie. Die Aliens haben uns in der Vergangenheit besucht und beeinflusst. Wir sind uns dessen nur nicht mehr bewusst, sondern haben ihre Natur und ihre Technologien in Relgion und Mythologie verklärt. Vielleicht haben sie uns auf einen bestimmten Weg bringen wollen, vielleicht hatten sie weniger edle Absichten. Vielleicht haben sie in solchen Momenten Menschen von der Erde auf andere Welten transferiert. Vielleicht gibt es Geheimgesellschaften, die sich mit ihnen beschäftigen, für oder gegen sie arbeiten. Oder sie wahren nie weg. Oder ihre Zivilisation nahm vor kurzem ein Ende.

14

Sommerschlaf. Sie sind noch da … auf eine bestimmte Weise. Hochentwickelte Zivilisiationen benötigen viel Energie, und diese ist endlich; dadurch könnte es sein, dass sich hochentwickelte Zivilisationen in eine Art „Schlaf“ versetzen, bis das Universum genügend abgekühlt ist (was durch dessen fortlaufende Ausdehnung geschieht). Sie werden aufwachen, wenn dieser Zeitpunkt irgendwann erreicht ist – oder sie jemand aufweckt, was sie vielleicht ernsthaft verstimmt.

15

Tödliche Sterne. Die Chancen auf Auslöschung durch Schwarze Löcher, Supernovae, Gammastrahlenausbrüche und Meteoriteneinschläge ist einfach zu hoch. Es wird vielleicht viele Welten geben, auf denen es einmal Leben gab, und dies vielleicht wieder möglich ist, auf einigen wird man Ruinen ausgestorbener Zivilisationen finden.

17

Wir leben in einer Simulation. Es gibt höchstwahrscheinlich Aliens, denn die haben uns ja in diese Matrix gesteckt. Sie tun dies, um uns zu erforschen, unsere Reaktion auf bestimmte Ereignisse zu testen (wie den Ersten Kontakt, freundlich oder weniger so). Vielleicht gibt es "Fehler in der Matrix", die aufmerksame Spieler entdecken können, oder vielleicht gibt es zwischen den Systemadministratoren verschiedene Fraktionen, die die Charaktere irgendwann erkennen würden. Vielleicht sind es Menschen, die andere Menschen in diese virtuelle Welt stecken, um eine bestimmte Frage zu beantworten. (Eher der Vollständigkeit hier drin. Ich habe eher negative Reaktionen auf Kampagnen erlebt, in denen die Welt selbst nur eine Illusion ist.)

18

Wir sind die Aliens. An irgendeinem Punkt von der Entwicklung vom Einzeller zum denkenden Hominiden wurden wir auf die Erde gebracht, entweder im Rahmen der Panspermie oder durch gezielte Eingriffe einer älteren Spezies. In einem solchen Setting kommt es wahrscheinlich zu einem Haufen an konvergenter Evolution, und vielleicht gibt es menschliche Zivilisationen auf vielen anderen Welten. Wenn es kein reiner Zufall war, und Vorläufer des heutigen Menschen auf der Erde gezielt durch eine ältere Spezies dort ausgesetzt wurden, dann besteht natürlcih die Frage, warum das geschehen ist.

19

Wir sind die Ersten. Es gibt vielleicht auch andere intelligente Lebensformen, aber wir sind die ersten, die bereits so weit sind. Alle anderen, möglichen außerirdischen Zivilisationen haben eine sehr viel niedrigere technologische Entwicklungsstufe. Vielleicht gelten hier die selben Bedingungen wie in "Seltene Technologie". Vielleicht haben wir alle oder einige andere Arten von empfindungsfähigen und vernunftbegabten Wesen erschaffen - als Künstliche Intelligenzen oder durch Uplifts von Tieren der alten Erde.

20

Wir Verstehen Sie Nicht. Sie sind da, und versuchen mit uns zu kommunizieren – doch wir verstehen sie nicht, überhören und übersehen ihre Signale und Aktivitäten, oder missdeuten sie. Es existieren vielleicht umfangreiche Sternenreiche, die sich vielleicht an eine Art "Erster Direktive halten. Vielleicht verwenden sie Technologien, die wir nicht erkennen können oder die der Tarnung dienen. Oder sie benutzen schlichtweg andere Formen der Kommunikation, die wir nicht so leicht entschlüsseln oder erlernen können.

Zusätzlich dazu kann man natürlich festlegen, dass mehrere Fälle zutreffend sind, und/oder das verschiedene Gruppen und Zivilisationen im Spiel unterschiedliche Annahmen für wahr erachten (und sich teilweise oder ganz irren) und so mehrere Ebenen an Geheimnissen des Universums erschaffen, die eine furchtlose Gruppe von Forschern enthüllen kann.

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