Betrachtet wird: M-Space in der deutschen Übersetzung durch die 100 Questen Gesellschaft e.V..Das Exemplar hat der Oger als Unterstützer des Crowdfundings erhalten, allerdings leider keine Knochen von klugen Rollenspielgelehrten, aus denen er hätte Würfel schnitzen können. Nicht mal Geld für diese Rezension. Seufz.
M-Space ist eine Sci-Fi-Variante eines Runequest-abkömmlings, mit dem Abenteuer in der fernen Zukunft in vielerlei Settings machbar sein sollen, speziell aber Space Opera und Epic Sci Fi.
Erster Eindruck: Stabil aussehendes Hardcover, Lesebändchen, wenig Bilder, Text mit breiterem Abstand, gute Lesbarkeit trotz anfänglichem Trockenheitsgefühl. Es kommen beim ersten Durchblättern Ideen auf, was man damit machen kann - ich denke an Dumarest und irgendwas Travellerartiges, oder an den Kulturzyklus, an Asimov und andere Ideen aus der Golden Age der Sci Fi. Es gibt ein Inhaltsverzeichnis und einen brauchbar aussehenden Index.
Charakterbau: Man kann bei den Schritten zwischen verschiedenen Optionen wählen: Zufallsbasierte Methoden oder Punktekauf, es wird darauf hingewiesen, das der SL noch genauere Schritte festlegen sollte. Nachdem man Eigenschaften festgelegt und die sich daraus ermittelnden Attribute (wie Initiative, Lebenspunkte etc.) bestimmt hat, muss man eine von drei Kulturen und einen Beruf wählen. Durch diese werden Fertigkeiten, die man entwickeln kann, vorgegeben, für die man einen Satz Punkte erhält, die auf diese verteilt werden können. Anschließend wählt man drei "Leidenschaften", die den Antrieb und die Motivation eines Charakters darlegen - etwas, das ich als sehr wichtig empfinde, weil so Spieler eine Motivation für ihr Alter Ego formulieren müssen. Ein paar Ausrüstungsgegenstände, Startgeld, fertig.
Der Prozess ist nicht übermäßig komplex, aber kann sehr zeitaufwendig werden, wenn Spieler versuchen, das Optimum aus ihren Punkten herauszuholen.
Einige Charaktereigenschaften haben etwas seltsame Namen wie "Mana" oder "Wagenlenken" - Indiz dafür, dass einfach ein anderes Regelwerk (Mythras) in Textpassagen einfach übernommen wurde, anstatt sich kurz hinzusetzen und eigene Ideen und Formulierungen zu verwenden. Das soll sich später noch wiederholen.
Systeme: Ein Prozentwertunterwürfelsystem, muss man mögen.
Das Kampfsystem sieht verständlich, kurz und knackig aus, und kann nach Bedarf aufgebohrt werden, auch durchaus tödlich.
Es werden zusätzliche Regeln für soziale Konflikte, Cyberware, Roboter, Psionik, Clarke - Tech, Hacken, Raumfahrt etc. angeboten, die nur wenige Seiten umfassen. Das ist zum Reinkommen schön, wird irgendwann einen Ausbau erfordern.
Das System zur Charaktersteigerung - 1W100 + Modifikator über den Fertigkeitswert würfeln, es steigt aber immer um 1% - gefällt mir. Es hat etwas organischeres, als Erfahrungspunkte zu verteilen und dann Werte zu steigern, die nie gefordert oder verwendet wurden.
Also, alles in allem etwas bodenständiges, nichts extravagantes oder innovatives (was es auch nicht sein muss). Aber hier und da blitzt durch, dass der SL früher oder später Entscheidungen treffen muss, wie er etwas handhabt (wie zum Beispiel die Fähigkeit Lautlos Töten, die ganz sicher Diskussionsbedarf erzeugen wird, wenn man sie gegen Spieler einsetzt). Vieles kann man mit Erfahrung ausgleichen, aber es sind halt schon handwerkliche Fehler.
Insgesamt wirkt es aber knapp und klar.
Weltenerschaffung: Bei jedem Sci-Fi-Spiel, das rauskommt, schaue ich mir diesen Teil immer gerne am genauesten an. Der Standard bisher ist "Traveller", und Systeme wie Stars Without Numbers lehnen zumindest daran an, schaffen es jedoch auch, eigene Akzente zu setzen.
Bei M-Space ist das leider eher nicht so. Es wird das alte Sternenkartensystem von 8x10 Waben verwendet (warum nicht 8x8 oder 10x10?), es gibt einige verstreute Untertabellen. Dinge wie Justizgrad und Techlevel werden, direkt gerippt, in einem anderen Kapitel (Aliens) abgebildet, wodurch das ganze etwas klobiger, langsamer zu erschaffen wird. Die dem UWP - System innewohnende Logik (was es ja so genial macht) fehlt hier ganz. Der Autor spricht von Hommage, aber ich finde es eher nicht gelungen, weder handwerklich noch kreativ. Eine kleine Entschuldigung wäre: Es ist ein generelles System, dass viele verschiedene Setting-Ideen abdecken soll. Aber es gilt auch: Traveller hat ein System, dass ein Setting erschafft, indem man es benutzt, "sich treiben lässt" und guckt, wie man am Ende etwas daraus macht.
Einschub & Allgemeiner Rant: Liebe Rollenspieldesigner, baut doch bitte das nächstemal eine Weltenerschaffungssystematik, dass sich von Traveller abhebt und dennoch eine ähnliche Verwendbarkeit hat! Das muss man nach 45 Jahren doch mal hinkriegen!
Etwas gerettet wird es durch die Idee der Gruppierungen, die Machtfraktionen des Universums. Auf wenigen Seiten ein brauchbar wirkendes System für die Erschaffung von solchen Organisationen. Es erinnert mich etwas an das Fraktionssystem aus Stars Without Numbers, und geht noch etwas über die dortige Perspektive kleiner Reiche hinaus.
Statblocks für generische NSC oder (bis auf ein paar im Anhang) Critter fehlen leider, was den Zeitaufwand für den SL deutlich erhöht. Zudem weiß ich nicht bzw. habe noch kein Gefühl dafür, welche Werte zum Beispiel ein generischer Wachsoldat, Elitekämpfer, Taschendieb usw. haben sollte, wobei man dass bei genauerem Lesen extrahieren kann.
Kleinere Sachen: Das Buch ist ein stabil wirkendes Hardcover, mit Lesebändchen und Tabellenschirm in den Buchdeckeln (eine gute Idee). In den letzteren hätte ich noch Dinge wie Trefferzonen untergebracht.
Die Ausrüstungsliste ist sehr, sehr kurz. Die Waffenliste kennt nur Energiewaffen und ein paar Nahkampfwaffen, und das war's. Das in andere Werke auszulagern ist ... zuwenig. Es sollten irgendwie 15 Technologiegrade abgedeckt sein, ich vermag das aber nur schwer zu erkennen. Ähnliches im Kapitel Schiffbau.
Im Kampfkapitel Einleitung mit: "..gutmütige Wirtshausschlägereien" mag irgendwie nicht recht zu einem Sci-Fi-Rollenspiel passen und (neben weiteren Merkmalen) auch eher für ein Kopieren aus einem anderen, fantasy-orientierten Werk sprechend. Allerdings haben solche Formulierungen dann wieder den witzigen Nebeneffekt, dass das Bild einer leicht abgeranzten oder mittelalterlichen Welt vor dem geistigen Auge entsteht, eine Gesellschaft, die in ein früheres technologisches Stadium zurückgefallen ist.
Fazit: Ein brauchbares System mit einigen wenigen Schwächen. Es wirkt wie ein Heartbreaker, der noch einige Runden Playtesting und Anpassung gut vertragen hätte, ebenso eine breitere Auswahl an Katalog-Optionen (ohne jetzt in einen Ausrüstungsporno wie in Shadowrun zu fallen).
Um es optimal zu nutzen, muss man vermutlich viel Zeit hineinstecken; es scheint irgendwie darauf zu bauen, dass man a) Mythras/Runequest schon kennt und b) weiß, was Rollenspiele sind, und wie man SciFi-Kampagnen spielen und vorbereiten kann. Das bedeutet, dass man schon vorher wissen muss, was man will und sich nicht "treiben lassen kann", wenn es um die Erschaffung geht (anders als zB Traveller oder SWN).
Vielleicht braucht man zusätzliche RQ- oder Mythras-Sachen, aber dann wäre es ja auch das Eingeständnis, dass M-Space nicht vollkommen auf eigenen Beinen stehen kann.
Das Kopieren von bereits verwendeten Regeltexten und Komponenten fände/finde ich eher doof, und würde vermutlich zurück auf das Travellersystem gehen (was ja nicht der Sinn eines neuen Spielsystems ist).
In die Waagschale werfen muss man, dass hier kein großer Verlag mit einschlägigem Autorenteam an einem neuen, bahnbrechenden Rollenspielsystem gearbeitet hat, sondern das es ein Fanprojekt war, das hier verwirklicht wurde (was ich an sich für wichtig und richtig halte.) und das in Teilen durchaus gelungen ist.
Am ehesten würde ich das System als Engine für eine travellerartige Kampagne mit mehr Granularität bei den Spielwerten und tatsächlichen Charakterfähigkeitsverbesserungen verwenden, ohne auf ein EP/Stufensystem wie SWN umsteigen zu müssen.
Ist es schnell? Eher Nein bis So mittel. Etwas längere Charakter- und Weltenerschaffung, Lücken im Regelwerk. Aber man braucht nur wenig Zeit (vermute ich), das wesentliche zu vermitteln. Eine kurze und knappe Formulierung von Werten und Regeln hat auch Vorteile. 2,5 von 5 Schädeln.
Ist es bunt? So mittel bis Eher ja. Ich halte eine Vielzahl von Szenarien und Settings für möglich, von Star Wars bis Aliens, muss allerdings viel Zeit hineinstecken, um es aufzupolieren. 3,5 von 5 Schädeln.
Ist es laut? Eher ja. Ich kann mir gut vorstellen, dass dramatische Situationen am Spieltisch schnell entstehen. 4 von 5 Schädeln.
Ist der Preis angemessen? Bei Vierundreißigeinhalb Tacken als Handelspreis würde ich sagen: Eher Ja. 4 von 5 Schädeln.
Damit komme ich auf eine Gesamtsumme von 14 Schädeln, von 20 möglichen.